Reinhard Kleist
Im Herzrhythmus der Welt

Ausstellungsdauer: 22. bis 25. Mai
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Empfang und Führung durch die Ausstellung: Samstag, 24. Mai, 17.00 Uhr
Musik: Mr. Fingers and the Shifters
Museumswinkel

Es gibt die These, das Wichtigste am Comic sei der Rhythmus. Der Rhythmus der Bilderfolge, der Wechsel der Größeneinstellungen innerhalb der Panels, die Zeitfolge in den „Rinnsteinen“ (McCloud) zwischen den Bildfenstern – all das ist für das Erlebnis von Comics konstitutiv. Als Reinhard Kleist Mitte der 1990er-Jahre mit ersten Comic-Publikationen hervortrat, waren seine Arbeiten ungeheuer rhythmisch gestaltet. „Lovecraft“ war eine symphonische Farborgie, „Dorian“ versuchte, das schnelle Stakkato von Techno zu treffen. Das war hohe Comic-Kunst. Aber es war nicht unbedingt die Sache eines Massenpublikums.
Daraufhin hat Reinhard Kleist seinen Rhythmus geändert. Um die Jahrtausendwende hat er mit den Bänden „Amerika“ und „Fucked“ einen neuen, realistischen, figurbetonten Duktus aufgenommen. Dabei blieben seine Stoffe („On the Road“ in den Staaten oder die Berliner Jugend-Szene) Milieus verhaftet, in denen Musik eine wichtige Rolle spielt. Aber die Erzählweise war jetzt sehr eng, sehr episch, sehr dicht am Personal. Das ließ kaum Raum für breite emotionale Rhythmusflächen.
Doch zuletzt hat Reinhard Kleist zwei Heroen des Rhythmus zu Helden gewählt, zwei Legenden der populären Musik. Zusammen mit Titus Ackermann von Moga Mobo und anderen deutschsprachigen Comic-Künstlern hat er eine illustrierte Biografie über Elvis Presley herausgebracht: Impressionen und Fragmente zu einer Karriere, die das Explosive im Auftritt von Elvis merkwürdig einhegen. Mit „Cash – I see a darkness“ ist es Kleist dagegen gelungen, die Lebensgeschichte des großen amerikanischen Country-Sängers in einen Mythos mit Brüchen zu transformieren. Hier hält die Form den Rhythmus, hier vollzieht sie wunderbare epische Rhythmus-Wechsel. Schwarz, Weiß, Grauraster, dichte Bildfolgen, Seiten, die sich öffnen, stilistische Veränderungen, Liedtexte, die den Blick des Lesers führen. Dazu mag man sich Musik von Johnny Cash auflegen.
Reinhard Kleist, der schon 1996 für sein Comic-Debüt „Lovecraft“ mit dem Max und Moritz-Preis des 7. Internationalen Comic-Salons Erlangen ausgezeichnet wurde, ist ein Künstler, der sich selbst nicht stilistisch festlegt und thematisch einigelt. Er wurde 1970 in Hürth bei Köln geboren, hat später an der Fachhochschule für Grafik und Design in Münster studiert, ist aber bald nach Berlin gegangen, wo er heute in Kreuzberg lebt und mit seinen Kollegen Fil, Andi Michalke und Mawil in einem Atelier am Prenzlauer Berg arbeitet. In der Hauptstadt findet er seine Gegenwartsthemen. Sie gibt seinen Werken den Rhythmus. Zuletzt hat er einen Studienaufenthalt auf Kuba absolviert. Auch diese Insel, vor allem ihre Metropole Havanna, ist sehr musikalisch. In einem Internet-Blog hat Kleist seine Eindrücke festgehalten – in Wort und selbstverständlich in Bildern. Er hat staunende Aufrisse einer merkwürdig karibischen Beharrlichkeit gezeichnet, die auch unter Schmerzen nicht aufgibt: Straßenbeobachtungen, Verfallenheiten, Männer mit Gitarre, Sänger am Mikrofon – alles mit seinem realistischen Strich, der doch Stimmungen auslöst und die Welt in ihrem Herzrhythmus fixiert.
Herbert Heinzelmann

Museumswinkel Erlangen, 2. Obergeschoss – 22. bis 25. Mai

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