Schwarz und Weiß
Ho Che Andersons Biografie über Martin Luther King

Ausstellungsdauer: 22. bis 25. Mai
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Empfang und Führung durch die Ausstellung: Freitag, 23. Mai, 17.00 Uhr
Museumswinkel

Der nordvietnamesische Staatspräsident Ho Chi Minh, der lateinamerikanische Revolutionär Che Guevara und Martin Luther King, der schwarze Bürgerrechtler aus den USA, – sie bilden ein Dreigestirn, das den mythologischen Himmel der Generation von 1968 schmückt. Vielleicht war es nahe liegend, dass schwarze Immigranten aus Jamaika ihrem 1969 in England geborenen Sohn die hoffnungsvollen Vornamen Ho und Che gaben. Zwangsläufig folgte daraus aber nicht, dass Ho Che Anderson zu Beginn der 1990er-Jahre die Arbeit an einer Comic-Biografie über Martin Luther King aufnehmen würde. Manchmal scheinen mythologische Kontexte dennoch magische Zusammenhänge herzustellen. Andersons gezeichnetes Buch über King ist jedenfalls einer der ersten biografischen Dokumentar-Comics auf höchstem künstlerischen Niveau geworden.
Anderson klammert Kings Lebensgeschichte in einen sentimentalen Nat-King-Cole-Oldie von 1940 ein: „Sweet Lorraine“. Ein Leben, verrauscht wie ein Schlager. Die Comic-Biografie startet 1952 in harten Schwarz-Weiß-Kontrasten. Das ist sicher keine rein formale Entscheidung. Bereits hier transportiert die Form Inhalt. Es geht um die rassischen Konflikte in den USA, es geht um die Diskriminierung der Schwarzen durch die Weißen. Es geht aber auch um Epochenerfahrung. Die mediale Generation erinnert Geschichte gern in den Farben einer Zeit, als Kinofilme, Fernsehen und Comics noch schwarz-weiß waren. Bis zum Attentat auf Kennedy im Jahr 1963 setzt Ho Che Anderson Farbe nur als Schockeffekt in seiner Erzählung ein. Danach wird die Zeit bunt. Nun betont schwarz-weiß herausgehobene Momente. Die Ermordung Kings ist schließlich eine Explosion in Rot.
Sehr früh führt Anderson eine Galerie von Zeitzeugen ein, redende Köpfe, die immer wieder herbeizitiert werden, um das Geschehen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu kommentieren. In den ersten Auftritt dieser Galerie sind auch erste Fotos integriert: Martin Luther King bei einer Rede, Schwarze, die gelyncht wurden. In diesen dokumentarischen Zitaten setzt Farbe Akzente. Damit ist Andersons Arbeitsprinzip geklärt: Er greift zurück auf die Collage, vereint sowohl auf der Text- wie auf der Bildebene die historische Quelle mit der expressiven Gestaltung der Historie durch den Künstler. Ein komplexes Geflecht entsteht – Annäherung an Martin Luther King als Persönlichkeit der Geschichte, die schillert, eingebunden in vielschichtige Prozesse und charakterlich nicht eindeutig zu verorten ist. Nur eines ist jeder Seite von Anderson anzumerken: der Respekt vor der Kraft eines Mannes im Kampf gegen Dummheit, Rassismus und Arroganz.
Zehn Jahre hat Ho Che Anderson an der Biografie gearbeitet. Als er fünf Jahre alt war, war seine Familie nach Toronto in Kanada gezogen. Dort hat der junge Mann seine Karriere als Zeichner begonnen. Er schreckte auch vor Hardcore-Storys nicht zurück, schuf eigene Geschichten wie „Young Hoods in Love“, „Pop Life“ oder „The No-Boys Club“ und bekam schließlich vom Verlag Fantagraphics den Auftrag für „Martin Luther King“. Damit hat er ein schwieriges Werk geschaffen, allerdings zugleich einen Solitär der Comic-Kunst.
Herbert Heinzelmann

Museumswinkel Erlangen, 2. Obergeschoss – 22. bis 25. Mai

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