Christophe Blain
Epische Reisen

Ausstellungsdauer: 22. bis 25. Mai
Öffnungszeiten: Do 12–19, Fr/Sa 10–19, So 10–18 Uhr
Museumswinkel

Nun also der Wilde Westen. Endlich hat Christophe Blain den Western-Helden Gus geschaffen: eine Figur zwischen dem kühlen Kontrollgang des Sheriffs durch die Main Street, dem hektischen Banküberfall und der amourösen Verstrickung am Tresen des Saloons. Zu den Künstler-Legenden um Blain gehört seine frühe Bilder-Sozialisation durch die Filme von John Ford und Sergio Leone und die Comics von Morris und Giraud. „Der Western hat mich seit frühesten Tagen stark beeinflusst“, sagte Blain in einem Interview mit der Comixene. Das Hinausreiten (und Hinausreisen) ins Offene ist ein Zentralmotiv aller Western. Bei Christophe Blain ist das nicht nur Motiv seiner Geschichten. Es ist auch Movens und Resultat seiner Arbeit.
Christophe Blain gehört zu den französischen Comic-Künstlern, die das Medium in neue grafische Erzählweisen geöffnet haben. „Grafisch“ ist dabei das entscheidende Wort. Allen Arbeiten von Blain wohnt ein evident grafischer Duktus inne. Das heißt: er zeichnet nicht, um illusionäre Räume zu schaffen, in denen sich Leser eskapistisch verlieren können. Vielmehr besteht jedes Panel darauf, eine Zeichnung zu sein, konstruiert aus Strichen, Flächen, Farben, Schraffuren. In den Abenteuern von Gus werden die grafischen Elemente noch mehr betont als in der Serie um Isaak, den Piraten. Ein Café, ein Canyon, ein Tisch im Saloon, ein Nachthimmel: dicht geführte Strichgewebe um Figuren aus karikierenden Zeichen auf der Basis realistischer Menschen-Auffassung. Das Realistische sind die Seelen, die Blain seinen Personen einhaucht. Sie beleben komplexe Charaktere ohne die gewohnten Eindeutigkeiten von Comic-Figuren. Blains Personen kennen Nachtseiten, Ängste, Sehnsüchte, Schrecken. Manchmal handeln sie gegen alle Lektüre-Erwartungen. Dank Blain und seinen Freunden und Kollegen Lewis Trondheim, Manu Larcenet, Joann Sfar und David B. ist es mit den Stereotypen im Comic endgültig vorbei (sehen wir einmal ab vom heroischen oder sentimentalen Mainstream).
Trondheim und David B. haben Blain für den Comic zurückgewonnen. Eigentlich war er schon auf dem Weg in die freien Künste, inspiriert von Dubuffet, Caillebotte oder Joseph Beuys. 1970 in Gennevilliers geboren, hatte er Kunst in Cherbourg und Paris studiert. Auf Ateliersuche geriet er in eine Atelier-Gemeinschaft von Trondheim und David B. und kam mit der innovativen Comic-Künstler-Gruppe L’Association in Berührung. Da wurden ihm die Augen für die erzählerischen und grafischen Möglichkeiten des Mediums wieder geöffnet.
Er hat sich für abenteuerliche Epen entschieden: für Raub, Reise, Entdeckung, Malerei und Liebe in „Isaak der Pirat“, für Gesetzlosigkeit, Ritt, Landschaft, Poesie und Liebe in „Gus“. Ohne Liebe geht es in seinen Geschichten nicht – Liebe als Fixpunkt der Sehnsucht wie als unbegrenztes Angebot erotischer Vielfalt. Blains Geschichten sind ernst zu nehmen, auch wenn sie in grafischen Welten angesiedelt sind. Immer wieder überzieht der Künstler diese Welten mit den ungemischten Farbstimmungen der Virage aus den frühen Tagen des Kinos. Denn das Leben sind die Künste, und die Künste schaffen Leben.
Herbert Heinzelmann


Christophe Blain 1970 geboren. Studium der Bildenden Kunst in Cherbourg. Besonders beeindruckten ihn die Werke von Bonnard, Seroy, Repine, Gustave Dorée und Daumier. Erst die Begegnung mit Joann Sfar, Lewis Trondheim, David B. und Emile Bravo Ende der 90er-Jahre motivierte ihn dazu, Comics zu schreiben und zu zeichnen. Im Jahr 2000 erhielt er den Preis für die beste Erstveröffentlichung für „Le Réducteur de Vitesse“ (Dupuis) beim Festival International de la Bande Dessinée Angoulême, 2002 den Preis für das Beste Album für den ersten Band seiner Reihe „Isaak der Pirat“. Zu seinen bekanntesten Arbeiten hierzulande gehört die Reihe „Donjon – Morgengrauen" (Reprodukt), die in Zusammenarbeit mit Joann Sfar und Lewis Trondheim entstanden ist, sowie „Isaak der Pirat" (Reprodukt). Sein jüngstes Projekt „Gus" ist – ähnlich wie „Isaak der Pirat" – Parodie und Hommage zugleich an ein altes Genre: in diesem Fall den Western (siehe auch Max und Moritz-Preis).
Christophe Blain lebt und arbeitet in Paris. Veröffentlichungen : „Das Getriebe“, „Isaak der Pirat – Amerika“, „Isaak der Pirat – Das Eismeer“, „Isaak der Pirat – Olga“, „Isaak der Pirat – Die Hauptstadt“, „Isaak der Pirat – Jacques“, „Gus (1). Natalie“, „Donjon – Morgengrauen“ (mit Joann Sfar und Lewis Trondheim), „Donjon – Das Hemd der Nacht“, „Donjon – Ein Rächer in Bedrängnis“, „Donjon – Das Ende einer Jugend“, „Donjon – Nach dem Regen“ (alle Reprodukt), „Hiram Lowatt & Placido“ (Epsilon Verlag), „Der Hop-Frog-Aufstand“ (Speed Comics).

Die von Fumetto – Internationales Comix-Festival Luzern – übernommene Ausstellung zeigt beeindruckende Originale dieses außergewöhnlichen Zeichners in einer umfassenden Retrospektive zum ersten Mal in Deutschland und gewährt, mit Hilfe von Storyboards, Bleistiftskizzen, Charakterstudien und unveröffentlichten Blättern, Einblicke in die Arbeitsweise Christophe Blains.


Museumswinkel Erlangen, 1. Obergeschoss – 22. bis 25. Mai

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