Dante im Comic – Die Geografie des Jenseits

Stadtmuseum Erlangen
6.–20. Juni 2004
Öffnungszeiten 10.–13. Juni: Do 12-19, Fr/Sa 10-19, So 10-18 Uhr
sonstige Öffnungszeiten: Di/Mi 9-13 und 14-17, Do/Fr 9-13, Sa/So 11-17 Uhr

In seinem imaginären Abenteuer „... zu schaun die Sterne“ begegnet Milo Manaras Comic-Held Giuseppe Bergmann einem Mädchen, das sich in alle möglichen Illustrationen der Weltliteratur hinein stürzt. Als Bergmann ihr nachspürt, schlägt er Seiten mit Illustrationen von Botticelli und Doré auf. Es sind Illustrationen zu Dantes Jenseits-Gesang „Die göttliche Komödie“. Wenig später sieht man Umrissformen von Dante und Vergil als seinem Führer durch das Inferno, so wie Doré sie gestochen hat, in einem Panel von Milo Manara stehen. So reflektiert der Comic den Holzstich der Buchillustrationen im 19. Jahrhundert als Vorläufermedium. So zeigt er sich aber auch fasziniert von einem literarischen Werk, das wie kaum ein anderes bildnerische Imaginationen freigesetzt hat. „Die göttliche Komödie“ ist wohl das am meisten illustrierte Epos der Literaturgeschichte.
Ausgehend von Salvador Dalís Dante-Zyklus hat das Erlanger Stadtmuseum in einer umfangreichen Ausstellung die Illustrationsgeschichte der „Komödie“ dokumentiert. Unter den Exponaten fanden sich Blätter namhafter Comic-Künstler wie Lorenzo Mattotti und Moebius. Mattotti hatt im Auftrag der Mailänder Galerie Nuages die Hölle, Moebius das Paradies illustriert. Das Fegefeuer bearbeitete Milton Glaser, weniger Comic-Zeichner als prominenter Grafik-Designer aus den USA. Dafür sehen Radierungen und Lithografien des englischen Künstlers Tom Phillips so aus, als seien sie einem Comic-Book entsprungen. Phillips hat sich der literarischen Vorlage mit verschiedenen Ausdrucksmitteln und Drucktechniken der Moderne genähert und dabei auch Stilformen der Comic Strips zitiert. Zwischen Doré und Comic-Underground bewegen sich die Drucke des Kaliforniers Sandow Birk. Er versetzt Szenen Dorés in die Unwirtlichkeit der heutigen Großstadt, verwandelt die Textur der Holzstiche in die Tristesse der Slums und gewinnt Dantes Versen eine erstaunliche und erschreckende Aktualität ab.
„Die göttliche Komödie“ ist die Geschichte einer Reise, auch wenn die durchquerte Landschaft im Jenseits liegt. Eine Reise ist Bewegung. Deswegen sind die Illustrationen eine Art Bewegungsbilder. Sie bewegen sich mit der Erzählung und werden dadurch selbst narrativ. Schon Botticellis Zeichnungen, als früheste Adaptionen des Dante-Textes, haben diese Tendenz. Es war also nur konsequent, die Ausstellung „Himmel und Hölle – Dantes Göttliche Komödie in der modernen Kunst“ in den Comic-Salon hinein zu verlängern, sie aber mit neuen Schwergewichten auszustatten. Schließlich hat der Text auch zahlreiche Comics inspiriert. So hat Angelo Bioletto bereits 1949/50 sogar die Duck-Familie in die Dantes Jenseitswelt geschickt. Gerade italienische Zeichner haben ihr Nationalepos immer wieder in Bildergeschichten zitiert. Vor allem die Hölle hat die sadomasochistischen Phantasien innerhalb der Fumetti Neri angefacht. Doch auch bis Japan strahlt die Kraft der Vorlage aus. Mit „Mao Dante“ hat Go Nagai einen Dante-Manga geschaffen, dessen Verfilmung in der Ausstellung gezeigt wird. Zu sehen ist ebenfalls das etwa gleichzeitig entstandene Dante-Portfolio von Michael Kaluta, das am Beginn seiner Karriere als Comic- und Fantasy-Künstler („Vampirella“) steht.
Die christliche Vorstellungswelt von der Geografie nach dem Tod ist von der „Göttlichen Komödie“ maßgeblich beeinflusst worden. Es ist eine Vorstellungswelt, die in aktuellen Comics eine zunehmend große Rolle spielt. Von „Sandman“ über „Hellboy“ zu „Preacher“ – selten war Religion in den Comics so präsent wie in den letzten Jahren. Dabei geht es den Comic-Künstlern so wie ihren illustrativen Vorgängern. Die Hölle ist allemal interessanter als das Paradies. Vielleicht ist Moebius mit seinen ätherischen Doré-Imitationen deshalb am Himmelsprojekt ziemlich gescheitert. Vielleicht liegt die Hölle unserer Alltagserfahrung aber ganz einfach näher als die Vision eines Zustands ohne Schmerz und Sorge. Immerhin sind gerade in Mangas viele Himmelsboten anzutreffen, die das Dasein der von Liebe und anderen Dämonen umgetriebenen Schüler und Studenten zum paradiesischen Ende geleiten. Selbstverständlich sind das Sehnsuchtsprojektionen der Pubertät. Aber Religion besteht nun einmal zum großen Teil aus solchen Projektionen.
Es gibt mehr Jenseitswelten und religiöse Motive im Comic Strip, als unsere Schulweisheit sich träumen lässt. Wenn man sich ihnen kritisch nähert, steht man vielleicht mit Dante „von nie gesehner Schau gebannt.“
Herbert Heinzelmann

Eine Ausstellung des Stadtmuseums Erlangen in Zusammenarbeit mit dem 11. Internationalen Comic-Salon Erlangen.

Siehe auch Comic-Podium

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